Eine Schauspieltruppe will ein Stück aufführen. Dieses an sich für eine Schauspieltruppe nicht völlig abwegige Vorhaben gerät dennoch zum nackten Wahnsinn, weil nichts so klappt wie es klappen soll. Von der Generalprobe, bei der der Regisseur noch versucht, zu retten, was nicht mehr zu retten ist, über den Blick hinter die Kulissen bei der ersten Aufführung bis hin zu einer weiteren Aufführung »im Original« werden Stichwörter vergessen, Einsätze verpasst, gibt es Missverständnisse, Neid, Eifersucht, Verwechslungen, werden Teller mit Sardinen vor den Kulissen genauso gesucht wie Kontaktlinsen dahinter, wird Privates und Schauspielerisches vermischt ... kurzum, ein herrliches Vergnügen – wenn man es als Zuschauer genießen darf.
Auszug aus dem Bericht in der Südwestpresse vom 07.11.2006
VÖHRINGEN
Auf dieser Bühne regiert das Chaos
Alles geht daneben und das Publikum lacht sich schief: Die Theater-Truppe »Spectaculum 04« spielt im Vöhringer Cardijn-Haus »Der nackte Wahnsinn«.
CHRISTA KANAND I 07.11.2006
Ein Blick hinter die Kulissen gefällig? Michael Frayns Komödie »Der nackte Wahnsinn« gewährt ihn, zeigt, wie es bei der Probenarbeit heftig rappelt, wie Privat-·und Berufsleben sich vermischen, Eifersucht, Intrigen, Missverständnisse und Verwechslungen unter den Darstellern nerven.
Die groteske Farce ist seit ihrer Uraufführung 1982 in London ein Publikumsrenner. Der Clou dabei ist der dreimalige Wechsel der Perspektive. Erster Akt: ln der vermurksten Generalprobe vergisst die Schauspieltruppe Stichwörter, Timing, Ablauf, Inhalte und Requisiten. Dauernd sucht Dotty (Ulli Zeller), ein Original von Haushälterin, einen Teller mit Sardinen, und die hübsche Brooke (Katja Gresz), die der faselnde Makler Garry (Fabian Weisenberger) vernaschen will, ihre Kontaktlinse. Schauplatz ist das Haus eines steuerflüchtigen Ehepaars. Dessen Rückkehr sorgt wie ein Einbrecher, der mehr an der Flasche als an seinem Handwerk hängt, für Turbulenzen. Im Proben-Tohuwabohu behält vom Zuschauerraum aus nur Regisseur Lloyd (eine Glanzrolle für den überragenden Christoph Schlander), unterstützt von seiner übereifrigen Assistentin und dem schlafmützigen Inspizienten, die Valium-gestärkten Nerven.
Zweiter Akt: Während die Vorstellung im Off mit Ach und Krach läuft, ist zu erleben, wie sich hinter den Kulissen zwischen Auf und Ab, Türöffnen und -knallen die auf ihren Auftritt wartenden Akteure in pantomimischen Slapstickeinlagen zicken, zoffen und kloppen. Dritter Akt, der aber im Gedöns und Klamauk arg verflacht: Das reinste Chaos bei der eigentlichen Theatervorstellung. Alles, was schief gehen kann, geht schief. Schief lachte sich auch größtenteils das Premieren-Publikum im ausverkauften Vöhringer Josef-Cardjin-Haus.
Comedyreif und actionreich von Thomas Boxhammer und Marion Coniglio einstudiert und werkgetreu inszeniert, überzeugten alle neun erwachsencn Laien-Schauspieler (das Team schuf auch Bühnenbild und Maske) des Vöhringer Jugendtheaters Spectaculum 04 mit darstellerischer Bravour. Der Riesenapplaus am Ende war mehr als verdient.
Auszug aus dem Bericht in der Augsburger Allgemeinen
VÖHRINGEN
Kalkuliertes Tohuwabohu mit Methode
Spectaculum gelingt eine erfolgreiche Premiere von »Der nackte Wahnsinn« im Vöhringer Josef-Cardijn-Haus.
URSULA KATHARINA BALKEN
Tür auf, Tür zu - und stets mit Knalleffekt, die permanente Suche auf dem Boden nach Kontaktlinsen, Teller mit Sardinen, die verschwinden und plötzlich wieder auftauchen, Kakteennadeln im Allerwertesten - es ist wahrlich »Der nackte Wahnsinn«, was im Josef-Cardijn-Haus von »Spectaculum 04« auf die Bühne gebracht wird.
Die Komödie von Michael Frayn traf vor ausverkauftem Haus voll ins Schwarze. Die Komödie, inszeniert von Thomas Boxhammer und Marion Coniglio, ist nicht nur handwerklich gut gemacht. Sie ist eine Mischung aus Klamauk und Klamotte, genau die richtige Theaterkost für die jungen Leute von Spectaculum, die ambitioniert und engagiert agieren, das Publikum mit Spielfreude begeistern und damit »ein reiches und lebendiges Theaterleben« präsentieren. So Bürgermeister Karl Janson vor der Premiere. Er verwies auf die Vielfalt der Theatergruppen in Vöhringen und lobte den Fleiß und die Konsequenz der jugendlichen Akteure. Janson betonte, »dass es von unschätzbarem Wert ist, wenn sich junge Menschen mit Sprache, Gestik und Thematik der Theaterkunst auseinandersetzen.«
Der Plot: Ein englischer Schriftsteller ist Steuerflüchtling und wohnt in Spanien. Völlig unerwartet kehrt er in sein Haus zurück, um festzustellen, dass in seinen vier Wänden reges Leben herrscht. Ein Maklerpärchen will ein Schäferstündchen einlegen, die Haushälterin will Sardinen essend eine Beisetzung im Fernsehen verfolgen und ein Einbrecher würzt das Ganze mit seinem Erscheinen im »nicht alarm-gesicherten Fenster.« Das Ganze ist als Theaterprobe inszeniert, eine Farce mit maßlosen Übertreibungen. Die aber geben der Aufführung, was sie braucht: Tempo, Temperament und Würze. Während sich die ersten Dialoge auf der Bühne anlassen, brüllt es plötzlich aus dem Zuschauerraum heraus »Stopppp!!!« Mit Stentorstimme unterbricht Regisseur Lloyd (Christoph Schlander) die Probe. Die Ensemblemitglieder erstarren, die Zuschauer auch. Sie blicken auf den Mann, der sich für den Regiegott schlechthin hält. Sein Wort ist Gesetz. Eine Paraderolle für Christoph Schlander. Mit nahezu weiblichen Attitüden geht er auf die Launen der Spieler ein, umsäuselt sie, um dann männlich rigoros durchzugreifen. Anna Tschaffon, Jona Tschaffon, Ulli Zeller, Christian Huber, Katja Gresz, Fabian Weisenberger, Basti Weisenberger und Sarah Hertle sind perfekt getimt, um im richtigen Augenblick durch die falsche Türe zu kommen. Denn davon gibt es immerhin acht. Slapstickeinlagen und Verwechslungen - das ist ein kalkuliertes Tohuwabohu, das monatelange Probearbeit voraussetzt. Ein Gag jagt den anderen, das Durcheinander hat dank einer ausgefeilten Regie Methode.
Das Bühnenbild ist eine Gemeinschaftsleistung des Ensembles und ein Meisterstück obendrein. Während der erste Akt nämlich noch ein normales Bühnenbild zeigt, spielt der zweite Akt »backstage« - also hinter der Bühne. Es herrscht das totale Chaos. Und die Zuschauer bewundern Präzision und Timing, mit der jeder Schauspieler seinen Auftritt inszeniert. Für soviel Engagement gibt’s zum Schluss stürmischen Applaus, sodass die Kulissen beinahe ins Wanken geraten.
Auszug aus der Vorankündigung in der Augsburger Allgemeinen
VÖHRINGEN
Vorhang auf für den Wahnsinn
Die Spectaculum-Premiere
IN
»Im ersten Akt zeigt das Stück eine Theatergruppe bei einer Probe, in der noch gar nichts klappt. Der zweite Akt behandelt die Aufführung nach einem Monat, bei der schon langsam alle Intrigen und Beziehungsprobleme der einzelnen Akteure ans Licht kommen. Im dritten Akt, nach zwei Monaten Tournee, ist das Stück nicht wiederzuerkennen«, erzählt Thomas Boxhammer, der Regisseur der Gruppe.
»Die Komödie ist sehr lebendig, es passiert ständig etwas Neues; es herrscht ein andauerndes Kommen und Gehen«, fügt Sarah Hertle, eine der Schauspielerinnen, hinzu. Sebastian Weisenberger, ebenfalls Schauspieler, meint: »Bei diesem Stück sieht man, wie es beim Theater zugehen kann, aber nicht sollte.« Er lacht. Gespielt wird morgen mit insgesamt neun Schauspielern im Durchschnittsalter von 18 Jahren. Mit dabei sind Ulrike Zeller aus Illertissen, Katja Gresz aus Bellenberg, Christian Huber aus Buch, Sebastian und Fabian Weisenberger aus Vöhringen, Anna und Jonathan Tschaffon, Sarah Hertle und Christoph Schlander aus Weißenhorn. Alle neun sind seit der Gründung der Theatergruppe vor zwei Jahren mit von der Partie und haben schon bei den drei bisherigen Stücken »Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer« (April 2005), »Cocktail für eine Leiche« (November 2005) und »Ronja Räubertochter« (April 2006) mitgewirkt.
Sie sind sich einig: Wir sind ein eingespieltes Team!« Dass sie damit nicht Unrecht haben, beweisen sie zum Beispiel mit ihrem Bühnenbild, das an vier Samstagen in Teamarbeit gefertigt wurde, aber auch mit ihrer Performance.
Schauspieler: Fabian Weisenberger (Garry), Katja Gresz (Brooke), Ulli Zeller (Dotty), Christoph Schlander (Lloyd), Anna Tschaffon, Sebastian Weisenberger, Jona Tschaffon, Sarah Hertle
Regie: Christoph Schlander, Thomas Boxhammer
Regieassistenz: Marion Coniglio
Spieltermine: Sa., 04.11. (20:00), Sa., 11.11. (20:00), So., 12.11. (20:00), Sa., 17.11. (20:00), Sa., 18.11. (20:00)